Systemtheorie - IMK Engineering – Ingenieurbüro für Mechatronik und Kybernetik Dr. Bruns

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Forschung & Entwicklung  Systemtheorie
„Die Systemtheorie ist ein wesentliches Hilfsmittel bei der Modellierung dynamischer Systeme. Das (Dynamik-)Modell eines Systems wiederum ist Voraussetzung für die Anwendung kybernetischer bzw. regelungstechnischer Methoden.“
(IMK Engineering)

Bild 1: Unterschiedliche "Komplexe" mit Elementen (nach [1])
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
(Aristoteles, 384 v.Chr. - 322 v.Chr.)
Die Elemente in einem "Komplex" oder innerhalb eines Systems lassen sich unterscheiden 1. nach ihrer Anzahl, 2. nach ihrer Art und Beschaffenheit sowie 3. nach ihren Relationen bzw. Beziehungen untereinander. Der 3. Punkt zeigt, was Aristoteles mit dem nebenstehenden Ausspruch wohl gemeint haben könnte.
Grundlagen der Systemtheorie
Die Grundlagen der modernen Systemtheorie wurden von dem österreichischen Biologen Ludwig VON BERTALANFFY (1901-1972) in den 1940er Jahren entwickelt und als „Allgemeine Systemtheorie“ bzw. „General System Theory“ veröffentlicht [1].
Bei der Analyse unterschiedlichster dynamischer Systeme hatte Ludwig VON BERTALANFFY die Beobachtung gemacht, dass Konzepte, Modelle, Prinzipien und Gesetze existieren, die unabhängig von der jeweiligen Domäne des betrachteten Systems bei dessen Beschreibung angewendet werden können. Wesentliches Ziel der „Allgemeinen Systemtheorie“ ist es deshalb, gemeinsame Wirkprinzipien und Gesetzmäßigkeiten in dynamischen Systemen zu finden und zu formalisieren, die domänenübergreifend und somit sowohl auf technische, biologische oder auch gesellschaftliche Systeme angewendet werden können.
Die formale Beschreibung eines Systems für sich alleine genommen ermöglicht prinzipiell ein Verständnis des aktuellen sowie eine Vorhersage des zukünftigen Systemverhaltens. Der besondere Fokus auf gemeinsame Gesetzmäßigkeiten ermöglicht es weiterhin, bei der Analyse eines Systems gewonnene Erkenntnisse auf Systeme einer anderen Domäne zu übertragen. Die formale Beschreibung eines bestimmten Wirkprinzips im Sinne einer gemeinsamen Gesetzmäßigkeit kann somit bspw. sowohl für die Beschreibung eines technischen als auch eines biologischen oder gesellschaftlichen Systems verwendet werden.
Eigenschaften und Prinzipien, die in einer Klasse von Systemen gefunden werden, sind häufig auch bei Systemen anderer Klassen anzutreffen. Zu diesen Eigenschaften und Prinzipien gehören beispielsweise Komplexität, Gleichgewicht (Homöostase), Rückkopplung und Selbstorganisation.
Abstraktion wird als Mittel verwendet, um gemeinsame Struktureigenschaften und Wirkprinzipien freizulegen bzw. sichtbar zu machen. Dies wiederum gelingt am besten mit Hilfe der Mathematik.
Dynamische Systeme lassen sich häufig durch ein System verkoppelter Differentialgleichungen beschreiben, das folgendermaßen dargestellt werden kann:
\[\left. \begin{array}{l} \frac{{d{x_1}}}{{dt}} = {f_1}\left( {{x_1},{x_2},...,{x_n}} \right) \\ \frac{{d{x_2}}}{{dt}} = {f_2}\left( {{x_1},{x_2},...,{x_n}} \right) \\ ... \\ \frac{{d{x_n}}}{{dt}} = {f_n}\left( {{x_1},{x_2},...,{x_n}} \right) \\ \end{array} \right\}\]


Im einfachsten Fall ist dieses System linear: $\underline {\dot x} = \underline A \cdot \underline x$ bzw.
\[\left. \begin{array}{l} \frac{{d{x_1}}}{{dt}} = {a_{11}}{x_1}+{a_{12}}{x_2}+...+{a_{1n}}{x_n} \\ \frac{{d{x_2}}}{{dt}} = {a_{21}}{x_1}+{a_{22}}{x_2}+...+{a_{2n}}{x_n} \\ ... \\ \frac{{d{x_n}}}{{dt}} = {a_{n1}}{x_1}+{a_{n2}}{x_2}+...+{a_{nn}}{x_n} \\ \end{array} \right\}\]


Diese strukturelle Beschreibung gilt generell für eine Vielzahl dynamischer Systeme, egal welcher Art, egal ob es sich um technische, biologische oder gesellschaftliche Systeme handelt. Vor diesem Hintergrund können auch bestimmte Struktureigenschaften bzw. Wirkprinzipien, die letztlich aus der Dimension der Matrix $\underline A$ und der konkreten Ausprägung ihrer Elemente (bzw. Koeffizienten $a_{ij}$ mit $i,j = 1,...,n$) resultieren, auf die unterschiedlichsten Bereiche übertragen werden, was im Folgenden an zwei einfachen und elementaren Systemstrukturen exemplarisch gezeigt wird.


[1]
Ludwig von Bertalanffy: General System Theory – Foundations,
Development, Applications. George Braziller Inc., New York, 1969
Beispiel 1: Exponentielles Wachstum
Für ein lineares System mit einem Zustand ($n=1$) folgt $\frac{dx_1}{dt} = {a_1}{x_1}$
Die Lösung dieser Differentialgleichung ist $x_1={X_{10}}e^{{a_1}t}$
Dabei gilt
$X_{10}$: Bestand, Population etc. zum Zeitpunkt $t=0$
$a_1>0$: Wachstum
$a_1<0$: Negatives Wachstum, Rückgang, Verfall
Beispiele für die Anwendung dieser Struktur bzw. dieses Wirkprinzips:
  • Kapitalzunahme bei Verzinsung (Wirtschaftswissenschaft)
  • Wachstum(sphasen) bei Bakterien und Tieren (Biologie)
  • Bevölkerungsentwicklung (Sozial-/Gesellschaftswissenschaft)
  • Instabiles (links) bzw. stabiles (rechts) Verhalten in Regelkreisen



Bild 2: Exponentielles Wachstum bzw. exponentielle Abnahme
Beispiel 2: Logistisches Wachstum
Basis ist das folgende nichtlineare System mit einem Zustand ($n=1$):
$\frac{dx_1}{dt} = {a_1}{x_1} + {a_{11}}{x_1}^2$
Die Lösung dieser Differentialgleichung ist
\[x_1=\frac{{a_1}{X_{10}}e^{{a_1}t}}{1 - {a_{11}}{X_{10}}e^{{a_1}t}}\]
Dabei gilt
$X_{10}$: Bestand, Population etc. zum Zeitpunkt $t=0$
$a_1>0$: "Motor"; $a_{11}<0$: "Bremse"
$-\frac{a_1}{a_{11}}$: Wachstumsgrenze
Beispiele für die Anwendung dieser Struktur bzw. dieses Wirkprinzips:
  • Autokatalytische Reaktion (Chemie)
  • Aktivitätsfunktion bei neuronalen Netzen (Biologie, KI)
  • Bevölkerungsentwicklung mit begrenzten Ressourcen (Sozial-/ Gesellschaftswissenschaft)





Bild 3: Logistisches Wachstum, auch bekannt als "Logistische Kurve"

Beispiel 3: Analogien bei der Beschreibung technischer Systeme
Die unten dargestellte Tabelle zeigt einige Analogien, die unter anderem bei der Modellierung und Analyse technischer Systeme vorteilhaft genutzt werden können. Dazu zählt vor allem auch, dass in einer Fachdisziplin erfolgreich etablierte Methoden prinzipiell auch auf andere Fachdisziplinen übertragen werden können. Beispielsweise lassen sich die Methoden der linearen Netzwerkanalyse aus der Elektrotechnik, die auf den KIRCHHOFF'schen Regeln beruhen, wunderbar auf hydraulische Netzwerke anwenden.
1. KIRCHHOFF'sche Regel (Knotenpunktsatz): $\sum\limits_{k = 1}^n {{i_k}}$
In einem Knotenpunkt eines elektrischen Netzwerkes ist die Summe
der zufließenden Ströme gleich der Summe der abfließenden Ströme.

2. KIRCHHOFF'sche Regel (Maschensatz): $\sum\limits_{k = 1}^n {{u_k}}$
In einer geschlossenen Masche ist die Summe aller Teilspannungen gleich Null.
ANALOGIE - FELDER"Kapazitiver"  Speicher
"Induktiver"  Speicher
"Dissipativer"  Verbraucher
ELEKTROTECHNIK
Potentialgröße:
Spannung
$u$
Flussgröße:
Strom $i$
Kondensator

$\dot u = \frac{du}{dt} = \frac{1}{C} \cdot i$
$C$: (Elektrische) Kapazität
Spule

$u = L  \cdot \frac{di}{dt}$
$L$: Elektrische Induktivität
Ohm'scher Widerstand

$u=R \cdot i$
$R$: Ohm'scher Widerstand
MECHANIK (Translation)
Potentialgröße:
Kraft $F$
Flussgröße:
Geschwindigkeit $v$
Feder (mit Steifigkeit $c$)

$\dot F = \frac{dF}{dt} = c \cdot v$ bzw. $F = c \cdot x$
$\frac{1}{c}$: Mechanische Kapazität
Körper (mit Masse $m$)

$F = m  \cdot \frac{dv}{dt}$
$m$: Mechanische Induktivität
Dämpfer (mit Dämpfung $d$)

$F=d \cdot v$
$d$: Mechanischer Widerstand
MECHANIK (Rotation)
Potentialgröße:
Drehmoment $M$
Flussgröße:
Winkelgeschwindigkeit $\omega$
Drehfeder (mit Steifigkeit $c$)

$\dot M = \frac{dM}{dt} = c \cdot \omega$ bzw. $M = c \cdot \phi$
$\frac{1}{c}$: Mechanische Kapazität
Körper (mit Trägheitsmoment $J$)

$M = J  \cdot \frac{d\omega}{dt}$
$J$: Mechanische Induktivität
Dämpfer (mit Dämpfung $d$)

$M=d \cdot \omega$
$d$: Mechanischer Widerstand
STRÖMUNGSMECHANIK
Potentialgröße:
Druck $p$
Flussgröße:
Volumenstrom $\dot V$
Druckgefäß, Speicher

$\dot p = \frac{dp}{dt} = \frac{1}{C_{fl}} \cdot \dot V$
$C_{fl}$: Fluidische Kapazität
Rohrleitung

$p = L_{fl}  \cdot \frac{d  \dot V}{dt}$
$L_{fl}$:  Fluidische Induktivität
Drossel

$p=R_{fl} \cdot \dot V$
$R_{fl}$: Fluidischer Widerstand
THERMODYNAMIK
Potentialgröße:
Temperaturdifferenz $\Delta T$
Flussgröße:
Wärmestrom $\dot Q$
Wärmespeicher

$\Delta \dot T = \frac{d\Delta T}{dt} = \frac{1}{C_{th}} \cdot \dot Q$
$C_{th}=c_v \cdot V$: Therm. Kapazität
???
Existenz ist umstritten
???
Wärmewiderstand

$\Delta T=R_{th} \cdot \dot Q$
$R_{th}$: Thermischer Widerstand
Tabelle: Darstellung von Analogien für die Modellierung und Analyse von technischen Systemen

Die Modellierung technischer Systeme oder Prozesse mit den in der Tabelle dargestellten Beziehungen und Analogien führt bei rein linearen Zusammenhängen wieder auf ein Differentialgleichungssystem der Form $\underline {\dot x} = \underline A \cdot \underline x$ bzw. $\underline {\dot x} = \underline A \cdot \underline x + \underline B \cdot \underline u$, bei Berücksichtigung von Eingangsgrößen gemäß $\underline u$. Die numerischen Werte der Elemente einer gegebenen (System-)Matrix $\underline A$ können demnach prinzipiell ein mechanisches, strömungsmechanisches oder auch thermodynamisches System beschreiben.

Interessen und Aktivitäten des IMK
Das IMK nutzt konsequent systemübergreifende Struktureigenschaften und Wirkprinzipien. Diese abstrakte und systemübergreifende Sichtweise erhöht das Systemverständnis und ermöglicht innovative und überlegene Lösungen, nicht nur im Hinblick auf die Modellbildung & Simulation, sondern gerade auch für die spätere Auswahl und Anwendung kybernetischer bzw. regelungstechnischer Methoden. Davon profitieren unsere Kunden.
Aktivitäten im Bereich der Forschung haben beim IMK primär das Ziel, neue, systemübergreifende Struktureigenschaften und Wirkprinzipien von dynamischen System zu identifizieren und in Anwendungen nutzbar zu machen.


Das was unten ist, ist wie das, was oben ist, und das was oben ist, ist wie das was unten ist, ein ewig dauerndes Wunder des Einen.
(Hermes Trismegistos, Tabula Smaragdina)
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